Analoge Technik und Fahrzeugtechnik » RP25 Was ist das eigentlich? (2024)

Hallo,

oft wird der Begriff "RP25" verwendet wenn es um feinere Radsätze geht. Aber ohne zu wissen was genau das nun eigentlich ist.

Der Begriff kommt aus dem amerikanischen und bedeutet "Recommended Practice", übersetzt ins deutsche etwa: empfohlene Anwendung für die Praxis.

Um das aufzudröseln zuerst die "RP25" des Vorbilds:
Analoge Technik und Fahrzeugtechnik » RP25 Was ist das eigentlich? (1)
Man sieht erst einmal einen Haufen Linien, Striche und fremdländische Bezeichnungen.
Um die Begrifflichkeiten jetzt einmal aufzudröseln, als erstes die vielstrapazierte, diesmal aber richtige und korrekte, RP-25: https://nmra.org/sites/default/files/sta...5%202009.07.pdf
Die Maßangaben sind leider immer noch in dem altehrwürdigen veralteten imperialen zölligen Maßssystem (die USA sind in dieser Beziehung eben immer noch eine Kolonie des Vereinigten Britischen Königreichs [vulgo Great Brexit]). Der Umrechnungsfakter beträgt. 1 Inch = 25,4mm. Mit Hilfe des Taschenrechners leicht zu bewerkstelligen, aber (WARNUNG!) der durch die Umrechnung entstandene Zahlenwurm sollte auf 1/10tel mm gekürzt werden. Das ist 1 Stelle hinter dem Komma und dabei rollt man den Zahlenwurm von hinten auf, von 1 bis 4 wird nach unten abgerundet, von 5 bis 9 nach oben aufgerundet.

Was man hier auf den Foto als auch in der verlinkten RP-25 Empfehlung sieht ist nur ein Teil eines Rades. Genauer gesagt der für das Rollen aktive Teil des Radreifens.

Mehr nicht.

Als H0 Modellbahner interessieren uns hier primär nur die Code110 (2,8mm) und Code88 (2,2mm) Radprofile.

Es gibt jedoch weder eine Angabe welchen Durchmesser die Radscheibe aufweisen muß, noch eine Montageanweisung.
Bekanntlich besteht ein Radsatz ja aus 2 Rädern die auf eine gemeinsamen Achse sitzen. Hier in der realen RP-25 findet man nirgendwo eine Anweisung oder Festlegung wie die beiden Räder auf der Achse zu montieren sind, noch irgendwelche Maßangaben dafür. Schlicht und einfach nur das aktive Radprofil.
Hier jetzt irgend etwas herleiten zu wollen in welchen Abstand die Räder auf der Achse zu positionieren sind wäre rein spekulativ.
Die wie es so schön neumodisch heißt, alternativen (oder alternaiven?) Fakten helfen nicht und bringen einen nicht weiter.

Der neugierige Modellbahner forscht weiter und findet in dem Normenwerk der NMRA eine Empfehlung für komplette Radsätze, nämlich die RP-24.2: https://nmra.org/sites/default/files/sta...pdf/rp-24.2.pdf
Diese RP-24.2 ist allerdings unbemaßt, dafür gibt sie eindeutige Hinweise wo die entsprechenden Maße zu finden sind.

Diesen Hinweisen folgend, gibt es dann endlich reale Fakten hier NMRA S-4.2 für Standard Radsätze: https://nmra.org/sites/default/files/sta..._2019.01.04.pdf
Das ist hier eine verbindliche Norm. Als Standard werden seitens der NMRA die üblichen Normen bezeichnet.

Schaut man in die Zeile H0 so findet man:
Radsatzinnenmaß B: Zielvorgabe 14.55mm mit einer Toleranz nach oben von 0,05mm und einer Toleranz nach unten von 0,18mm. Das wäre ein Toleranzfeld von 14,37mm bis 14,60mm.

Wie schon angesprochen, die Hundertstel sind aus der Umrechnung von zölligen in metrische Maße entstanden und daher rein akademisch zu betrachten. Für den praktischen Gebrauch sollte man hier ebenfalls auf Zehntel runden:
Zielvorgabe 14,6mm als oberes Abmaß und 14,4mm als unteres Abmaß für den Innenabstand der beiden Radscheiben zueinander.

Damit wäre ein Maß von 14,5mm der goldene Mittelweg nach aktuell gültiger Norm.

Des weiteren die Höhe der Spurkränze sollte maximal 0,7mm betragen. Auch hier wieder der praktische Ansatz mit der Empfehlung RP-25 Code 110 Räder mit 2,8mm Radbreite. Diese Angabe findet man dann eben in der RP-25. Ebenso die Empfehlung die Spurkränze nur 0,6mm hoch zu machen, wobei nicht ausgeschlossen ist sie noch etwas niedriger zu machen.

Jetzt der Sprung über den großen Teich nach Europa und zu zum Vergleich die NEM310 des MOROP: https://www.morop.org/downloads/nem/de/nem310_d.pdf
Hier sollte man sich den Text unter dem Kopf unbedingt durchlesen. Im Prinzip lehnt man sich an die NMRA S-4.2 an. Jedoch ist diese Norm verwaschener und nicht so exakt wegen diverser Ausnahmen. Und diese Ausnahmen als auch Rücksichtnahmen auf den "gröbsten gemeinsamen Nenner" sorgen dann für eine Aufweichnung. Daher ist wegen der Abwärtskompatibilität die Betriebssicherheit nicht so groß wie bei der Original S-4.2.

Einschub zur Erklärungen des Begriffs "gröbster gemeinsamer Nenner:

Zur historischen Entwicklung und wie es zu den hierzulande geläufigen Inkompatibilitäten gekommen ist, ein Link: Der Gleich- o. Wechselstrom Glaubenskrieg-Thread, Beitrag #2131 Der Gleich- o. Wechselstrom Glaubenskrieg-Thread (107)
Aber in 60 Jahren hat sich die Welt weiter gedreht und die technische Entwicklung ist nicht stehen geblieben. Auch die Modellbahn deutscher Prägung ist (leider?) vom Fortschritt betroffen.
Radsätze und Gleis, hier insbesondere die Weichen, haben sich seitdem zwar etwas angenähert, aber ...

Das große ABER ist die immer noch vorhandene Grobschlächtigkeit der Radsätze und Weichen.
Analog zum Bruchrechnen wo es den Term des kleinsten gemeinsamen Nenners gibt, hat man sich hier, ich beziffere es so, auf den "Gröbsten gemeinsamen Nenner" geeignet. Die häßlichen riesigen Spurkränze und noch häßlicheren abgrundtiefen Herzstücklücken wirken wie Überbleibsel aus der Zeit der ersten Blecheisenbahnen. Mit diesem Material kann trotzdem nur so eine Art Behelfsrumpelbetrieb stattfinden.

Man beobachte nur einmal wie serienmässige Radsätze über serienmässige Weichen regelrecht rumpeln. Das sogar auch wenn Fahrzeuge und Weichen vom selben Hersteller sind.

Der Grund für diese Grausamkeiten ist in dem Prinzip des gröbsten gemeinsamen Nenners mit seinem riesigen Toleranzfeld zu suchen. Hier müssen Kompromisse eingegangen werden die alles andere als vorbildgerecht sind.

So sind alle Weichen der traditionellen Marken für den Spurkranzauflauf vorgesehen. D.h. weil die Herzstücklücken so breit sind reicht es nicht mehr, daß die Radlauffläche den Spalt zwischen Herzstückspitze und Flügelschiene überbrücken kann. Als Notbehelf soll dann die Spitze des Spurkranzes auf dem Grund des Herzstücks laufen.

Jedoch gilt, je geringer die Toleranzen sind, je enger die Normen gefasst sind, desto genauer sind die Komponenten auf einander abgestimmt und je betriebssicherer ist das System.

Auch die NMRA RP-25 hat beim MOROP einentsprechendes Gegenstück: https://www.morop.org/downloads/nem/de/nem311_d.pdf
Auch hier leider wieder mehr verwaschene Toleranzen und Rücksichtnahmen auf den gröbsten gemeinsamen Nenner.

Aber die NMRA hat auch hier eine Antwort darauf: https://nmra.org/sites/default/files/sta...02010.02.24.pdf
Als Deep Flanges bezeichnet man in den USA die spielzeughaften Traditionsradsätze aus dort längst vergangenen Tagen. Hier spiegelt sich bei H0 die alte NEM310 von Anno 1977 wieder die auch das "Klammeräffchenmaß" von 14,3mm aufweist. Aber das ist in den USA für Spielzeugbahnen und nicht für Modellbahnen nach Standard gedacht.
Das nur zur Information.

Tatsächlich ist die RP-25 nur ein Teil einer ganzen Kette von Normen die aufeinander abgestimmt sind. In den USA hat die NMRA (Nationale Vereinigung der Modelleisenbahner) es schon seit vielen Jahren geschafft Normen für Modelleisenbahnen auszuarbeiten, zu veröffentlichen und, noch viel wichtiger, die Modellbahnindustrie zur Mitarbeit bewegen können. Als einer der größten Erfolge für den Modellbahner ist zu werten, daß sich tatsächlich ALLE Hersteller von US Modellbahnen an diese Normen halten.

Von diese geradezu paradiesischen Zuständen in Sachen Kompatibilität und Austauschbarkeit sind wir hier in Deutschland noch im Weit-Weit-Weg-Land. Es gibt zwar eine europäische Entsprechung der NMRA, der MOROP und dieser hat auch Normen für europäische Modellbahnen (NEM) ausgearbeitet und veröffentlicht.
Jedoch macht die Modellbahnindustrie hierzulande nicht mit.

Jeder Modellbahn"hersteller", genauer gesagt Importeur von elektrischen Eisenbahnen, lässt nur nach seiner Werksnorm produzieren. Für den Modellbahner ist das unerquicklich, weil hier viele Komponenten nicht zusammenpassen oder bestenfalls nur in einer Art Notbetrieb irgendwie behelfsweise zusammen laufen.

Fortsetzung folgt

mfG

Ludwig

Edit: Links gängig gemacht

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